Ncht jeder Mensch hat das Glück, mit eindeutigem Geschlecht geboren zu werden, d.h. mit einem Geschlecht, das hinsichtlich aller gemäß Biologie, Neurobiologie und Medizin relevanter geschlechtlicher Kriterien (Chromosomen, hormoneller Zustand, anatomische Geschlechtsmerkmale, pränatale geschlechtlich-hormonelle Prägung des Gehirns) konsistent eindeutig männlich oder weiblich ist.

Es gibt intersexuelle Menschen, medizinisch als "DSD" (Differences in sexual development) bezeichnet. Diese haben eine körperlich diagnostizierbare Uneindeutigkeit des Geschlechts, nicht unbedingt im Hinblick auf auffällige äußere Geschlechtsmerkmale (landläufig veraltet "Zwitter"), sondern auch evtl. nur auf chromosomaler oder hormoneller Ebene (z.B. Klinefelter mit Chromosomensatz XXY, Chromosomenmosaik oder zwar normale männliche XY-Chromosomen, bei denen sich aber aufgrund einer Androgenresistenz ein anatomisch weitestgehend weiblicher Körper entwickelt). 

Hier Informationen der Universitätsklinik Ulm.

Intersexualität ist eine Variante der Natur; sie ist auch bei anderen Säugetieren zu beobachten. Das bis vor kurzem übliche Vorgehen von Ärzten, Babys mit uneindeutigen Genitalien sofort zu operieren nach dem Motto "was nicht passt, wird passend gemacht", ist eine ethische Katastrophe, nicht selten stellt sich heraus, dass das betroffene Kind später darunter leidet und nicht zu dem willkürlich operierten Geschlecht tendiert. Hier wird versucht, die Natur, die so ist, wie sie ist, den gesellschaftlichen Vorstellungen anzupassen.

Bei Menschen mit Geschlechtsinkongruenz (bisher meist "Transsexualität" genannt) ist eine körperliche Uneindeutigkeit des Geschlechts meist nicht nachweisbar (außer wenn gleichzeitig Intersexualität vorliegt). Die langjährige Forschung hat aber zahlreiche Indizien für eine biologische Ursache gefunden. Vermutet wird eine gegengeschlechtliche Prägung des Hypothalamus des Fötus während der Gehirnentwicklung in der Schwangerschaft. Prof. Dr. Milton Diamond (University of Hawai'i) konnte in Studien mit ein- und zweieiigen Zwillingen, von denen mindestens ein Zwilling transsexuell war, nachweisen, dass Transsexualität eine starke genetische Komponente hat, denn gemeinsame Transsexualität beider Zwillinge trat auffallend häufig bei eineiigen Zwillingen (gleiche DNA!) auf, jedoch niemals bei zweieiigen Zwillingen. Diese Forschung an Geschlechtsinkongruenz bzw. Transsexualität bezieht sich jedoch i.d.R. auf vollständige Transsexualität, bei der es neben einem Leidensdruck über die soziale Geschlechterrolle ebenso einen starken Leidensdruck über die körperlichen Geschlechtsmerkmale gibt, verbunden mit dem Druck, diese medizinisch korrigieren zu lassen.

Volle Geschlechtsinkongruenz mit medizinischen Angleichungsmaßnahmen sollte m.E. deutlich von dem Phänomen "Transgender" im Sinne eines Wechsels der Geschlechterrolle ohne weitgehende medizinische Angleichungsmaßnahmen unterschieden werden. Insofern stehe ich dem aktuell diskutierten geschlechtlichen Selbstbestimmungsgesetz ohne Voraussetzungen etwas reserviert gegenüber, zumal dann auch Fragen der Nutzung von Intimräumen geklärt werden müssten.

 

Warum beschäftige ich mich mit dieser Thematik?

Ich selbst wurde mit uneindeutigen Geschlechtschromosomen geboren (weder XY noch XX, sondern 45,X/46,XY, "Mosaik"); mein Körper weist sowohl einige männliche als auch weibliche physische Merkmale auf. Nachdem ich vom 11. bis zum 30. Lebensjahr unter den männlichen Geschlechtsmerkmalen ununterbrochen gelitten hatte, fand im Jahre 2001 eine erlösende genitalumwandelnde Operation zur vollständigen Angleichung an das weibliche Geschlecht statt, gefolgt von zahlreichen aufwändigen Operationen (2001-2002 und 2017-2021) an Gesichtsknochen und Stimmbändern. Seit dem Jahr 2000 kann mein Körper kein Testosteron mehr produzieren und würde sich ohne Hormonersatztherapie quasi in der weiblichen Menopause befinden.

Ich habe trotz der seit 2001 vorhandenen weiblichen Genitalien schon 2002 nach außen hin wieder in männlicher Rolle gelebt, da u.a. Knochenbau und Stimme weiter männlich wirkten. Erst 2016 folgte ich dem eindringlichen Rat meines auf Geschlechtsdysphorie spezialisierten Psychiaters und ließ auch das amtliche Geschlecht auf weiblich korrigieren. Von 2017 bis 2022 unterzog ich mich daher weiteren drastischen Gesichtsknochenoperationen bei Dr. Noorman van der Dussen/Dr.Oelbrandt in Belgien zur Gesichtsverweiblichung (Gesamtkosten 25.000€) sowie drei Stimmbandverkürzungen bei Dr. Remacle in Luxemburg zur Stimmverweiblichung.

Ob der Rat meines Psychotherapeuten von 2016 richtig war, ist fraglich, denn es verbleiben trotz aller Maßnahmen männlich wirkende äußerliche Merkmale. Ende 2024 entschloss ich mich daher, seiner Empfehlung nicht mehr zu folgen und die Verwendung männlicher Pronomen für mich zuzulassen. Ich benötige keine bestimmte Anrede durch andere Menschen, um mein Geschlecht bestätigt zu bekommen.